Du willst zuhören, wirklich. Aber während die andere Person spricht, wandern deine Gedanken ab. Du denkst an etwas, das sie gerade gesagt hat, und plötzlich bist du drei Themen weiter. Du merkst, dass sie dich anschaut und auf eine Antwort wartet. Aber du hast die Frage nicht gehört. Wieder nicht.
Oder du bist so aufgeregt über einen Gedanken, dass du nicht warten kannst. Du unterbrichst, sprudelst los, merkst zu spät, dass du wieder ins Wort gefallen bist. Der Blick des anderen sagt alles. Aber du wolltest doch nur deinen Punkt loswerden, bevor er wieder verschwindet. Und jetzt ist die Stimmung anders.
Kommunikation bei ADHS ist kompliziert. Nicht weil du nicht kommunizieren willst oder kannst. Sondern weil dein Gehirn anders arbeitet. Die Impulskontrolle, die Aufmerksamkeitssteuerung, das Arbeitsgedächtnis, alles was für flüssige Gespräche wichtig ist, funktioniert bei ADHS anders. Das zu verstehen ist der erste Schritt, um besser damit umzugehen.
Warum Zuhören so schwer ist
Zuhören klingt passiv, ist es aber nicht. Es erfordert aktive Aufmerksamkeitssteuerung. Du musst dich auf die Stimme des anderen konzentrieren, während dein Gehirn tausend andere Inputs verarbeitet. Die Klimaanlage summt, dein Handy vibriert, ein Vogel fliegt vorbei. Für ein ADHS Gehirn sind all diese Reize gleich laut.
Dazu kommt, dass gesprochene Sprache flüchtig ist. Du kannst nicht zurückspulen wie bei einem Text. Wenn du einen Moment abgelenkt warst, ist die Information weg. Und bei ADHS passieren diese Momente häufiger. Das liegt nicht an mangelndem Interesse. Es liegt an der Art, wie das Gehirn Aufmerksamkeit verteilt.
Besonders schwierig wird es, wenn das Thema nicht stimulierend genug ist. Wie bei allen Aktivitäten braucht das ADHS Gehirn Interesse oder Dringlichkeit, um aufmerksam zu bleiben. Ein langes Gespräch über Steuern oder Verwaltungsthemen kann zur Tortur werden, selbst wenn du weisst, wie wichtig es ist.
Das Problem mit dem Unterbrechen
Impulsivität ist ein Kernsymptom von ADHS, und sie zeigt sich besonders deutlich in Gesprächen. Ein Gedanke taucht auf, und bevor der Filter eingreifen kann, ist er schon raus. Du unterbrichst nicht, weil dir egal ist, was der andere sagt. Du unterbrichst, weil dein Gehirn nicht warten kann.
Da ist auch die Angst, den Gedanken zu verlieren. Bei ADHS ist das Arbeitsgedächtnis oft beeinträchtigt. Wenn du nicht sofort sagst, was du denkst, ist es möglicherweise weg. Also sprichst du, auch wenn der andere noch nicht fertig ist. Das ist keine böse Absicht. Es ist ein Kompensationsmechanismus.
Für das Gegenüber fühlt es sich trotzdem respektlos an. Es wirkt, als würdest du nicht zuhören, als wäre dir egal, was sie zu sagen haben. Diese Wahrnehmungslücke führt zu Konflikten. Du fühlst dich missverstanden. Der andere fühlt sich nicht gehört. Beide sind frustriert.
Ein Tipp gegen das Vergessen
Wenn ein Gedanke aufkommt, während der andere spricht, schreib dir ein Stichwort auf. So weisst du, dass der Gedanke nicht verloren geht, und kannst dich wieder auf das Gespräch konzentrieren. Erkläre dem Gegenüber vorher, warum du das tust.
Abschweifen und den Faden verlieren
Gespräche haben normalerweise einen roten Faden. Bei ADHS kann dieser Faden schnell verloren gehen. Du beginnst mit einem Thema, assoziierst zu etwas anderem, springst weiter, und plötzlich redest du über etwas völlig anderes. Für dich macht die Verbindung Sinn. Für den Zuhörer nicht.
Das kann charmant sein. ADHS Gespräche sind oft lebhaft, überraschend, voller unerwarteter Verbindungen. Aber es kann auch anstrengend sein, besonders in formellen Kontexten. Bei der Arbeit, in Meetings, bei wichtigen Gesprächen wird Abschweifen zum Problem.
Auch das Zuhören leidet unter diesem Muster. Während der andere spricht, assoziiert dein Gehirn. Ein Wort löst einen Gedanken aus, der zum nächsten führt. Plötzlich bist du gedanklich ganz woanders, während dein Körper noch im Gespräch sitzt. Du verpasst wichtige Informationen, ohne es zu merken.
Emotionale Gespräche
Die emotionale Dysregulation bei ADHS macht schwierige Gespräche noch schwieriger. Wenn Emotionen ins Spiel kommen, kann die Kommunikation entgleisen. Du wirst defensiv, oder du flüchtest, oder du reagierst stärker, als die Situation es erfordert.
Kritik zu hören ist besonders herausfordernd. Selbst konstruktives Feedback kann sich wie ein Angriff anfühlen. Die emotionale Reaktion kommt schneller als das rationale Einordnen. Du verteidigst dich, bevor du verstanden hast, was der andere eigentlich meint.
In Konfliktsituationen können diese Muster eskalieren. Die Impulsivität führt zu Aussagen, die du später bereust. Die emotionale Intensität macht es schwer, ruhig zu bleiben. Und wenn du überfordert bist, kann es zum Freeze kommen, zum kompletten Stillstand, wo du gar nichts mehr sagen kannst.
Strategien für bessere Kommunikation
Du kannst nicht ändern, wie dein Gehirn funktioniert. Aber du kannst Strategien entwickeln, die dir helfen, besser zu kommunizieren. Das erfordert Selbstkenntnis und Übung, aber es ist möglich.
Für das Zuhören hilft es, aktiv zu werden. Stelle Fragen, fasse zusammen, was du gehört hast. Das hält dein Gehirn beschäftigt und zeigt dem anderen, dass du aufmerksam bist. Es hilft dir auch, Lücken zu bemerken, wenn du etwas verpasst hast.
Gegen das Unterbrechen kannst du körperliche Strategien nutzen. Balle die Faust, wenn ein Gedanke kommt. Atme tief durch. Diese kleine Verzögerung gibt deinem Gehirn Zeit, den Impuls zu stoppen. Und notiere dir den Gedanken, damit du ihn nicht verlierst.
Wenn du merkst, dass du abschweifst, sei ehrlich. Entschuldige dich kurz und bitte den anderen, den letzten Punkt zu wiederholen. Die meisten Menschen schätzen diese Ehrlichkeit mehr als das Vortäuschen von Aufmerksamkeit.
Wichtige Gespräche vorbereiten
Bei wichtigen Gesprächen kann Vorbereitung helfen. Schreibe dir vorher auf, was du sagen willst. Das gibt dir einen Anker, zu dem du zurückkehren kannst, wenn du abschweifst. Es hilft auch, den roten Faden nicht zu verlieren.
Kommunikation in Beziehungen
ADHS stellt Beziehungen vor besondere Herausforderungen. Vergessene Gespräche, übersehene Details, emotionale Reaktionen können Partner verletzen. Sie fühlen sich nicht gehört, nicht wichtig, nicht beachtet. Dabei liegt das Problem nicht am mangelnden Interesse, sondern am ADHS.
Es kann helfen, mit dem Partner offen über ADHS zu sprechen. Erkläre, wie dein Gehirn funktioniert. Erkläre, dass Vergessen nicht bedeutet, dass dir etwas egal ist. Entwickelt gemeinsam Strategien. Vielleicht helfen Erinnerungen, vielleicht festgelegte Gesprächszeiten, vielleicht Notizen.
Wichtig ist auch, Verantwortung zu übernehmen, ohne dich selbst zu verurteilen. Ja, ADHS erklärt gewisse Verhaltensweisen. Aber es entschuldigt nicht, den Partner zu verletzen. Der Mittelweg ist: Ich verstehe, warum es passiert ist. Ich entschuldige mich für die Wirkung. Und ich arbeite an Strategien, damit es weniger passiert.
Im Beruf
Berufliche Kommunikation hat oft weniger Spielraum für ADHS Eigenheiten. In Meetings wird erwartet, dass du aufmerksam bist. Bei Präsentationen wird erwartet, dass du beim Thema bleibst. Mit Vorgesetzten wird erwartet, dass du nicht unterbrichst.
Hier können Hilfsmittel entscheidend sein. Notizen während Meetings halten dich fokussiert. Vorbereitete Stichpunkte helfen bei Präsentationen. Wenn möglich, bitte um schriftliche Zusammenfassungen wichtiger Gespräche, damit du später nachschlagen kannst.
Manche Menschen entscheiden sich, am Arbeitsplatz offen mit ihrer ADHS Diagnose umzugehen. Das kann Verständnis schaffen und Anpassungen ermöglichen. Aber es ist eine persönliche Entscheidung, die gut überlegt sein will. Nicht jedes Arbeitsumfeld ist bereit für dieses Verständnis.
Schriftliche Kommunikation als Alternative
Für viele Menschen mit ADHS ist schriftliche Kommunikation leichter als mündliche. Du kannst in deinem Tempo arbeiten, nachlesen, korrigieren. Es gibt keine Gefahr, jemanden zu unterbrechen. Du kannst deinen Gedanken strukturieren, bevor du ihn teilst.
Nutze diesen Vorteil, wo es passt. Wichtige Dinge per E-Mail statt mündlich besprechen. Nachrichten schreiben, wenn du weisst, dass ein Telefonat schwierig wird. Aber achte auch auf die Schattenseiten: Schriftliche Kommunikation kann missverstanden werden, und sie kann zum Aufschieben verleiten.
Kommunikation ist komplex, und ADHS macht sie nicht einfacher. Aber mit Bewusstsein, Strategien und offener Kommunikation über deine Kommunikation kannst du Beziehungen stärken statt sie zu belasten. Es braucht Arbeit, aber es ist möglich.